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Gretelise
Holm - Foto: Patrick Zöller/schwedenkrimi.de |
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Literaturportal schwedenkrimi.de:
Spricht man in diesen Tagen über Dänemark, so ist ein Thema
einfach unvermeidlich -besonders, wenn man mit einer Dänin über
Dänemark spricht. Und so versuche ich, die Gelegenheit zu nutzen
und als `königslos´ aufgewachsener Ausländer vielleicht
ein Stückchen mehr vom Phänomen "Der gemeine Däne
und die königliche Familie" zu verstehen, denn die Nachfahren
Harald Blauzahns sind die einzigen Medienstars, deren Einschaltquoten
sogar noch die der Fußball-Nationalmannschaft in den Schatten
stellen. Also: Gretelise, woher kommt diese riesige Begeisterung über
das Königshaus und royale Hochzeiten, und das alles angesichts
der vielen Probleme wie Einschnitte ins soziale System, Arbeitslosigkeit
oder Integration von Ausländern, die auch in Dänemark Einzug
gehalten haben?
Gretelise Holm:
Das könnte ich dich ebenso gut fragen, denn ich kann es selbst
auch nicht verstehen. Ich finde es etwas lächerlich, denn obwohl
vom Königshaus heute keinerlei politische Macht mehr ausgeht, halte
ich es doch für ein so undemokratisches Instrument, wie man kaum
ein zweites finden kann. Noch dazu haben wir Soldaten in die Welt hinausgeschickt,
um einem anderen Land die Demokratie zu bringen. Das passt alles überhaupt
nicht zusammen.
So wie ich das sehe, hat das Königtum in Dänemark viel mit
Tradition und Symbolik zu tun. Sieht man die königliche Familie
heute, fühlt man sich an die Größe und Macht erinnert,
die unser Land einmal gehabt hat. Zwar habe ich absolut nichts gegen
die einzelnen Personen, ob nun Königin, Prinzen oder Prinzessinnen,
halte das Ganze aber trotzdem für eine ziemlich lächerliche
Institution, deren einzige Legitimation darin besteht, dass sie ihre
Vorfahren bis weit in die Vergangenheit zurückverfolgen können.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
In deinen Büchern beschäftigst du dich mit verschiedenen gesellschaftlichen
Problemen. In `Die Robinson-Morde´ bilden zum Beispiel Pflegenotstand
und die allgemein schlechten Zustände in einem Alten- und Pflegeheim
teilweise den Hintergrund der Handlung. Kann man sagen, dass es Dir
mit deinen Büchern auch darum geht, auf soziale Probleme hinzuweisen,
die nicht auf den Titelseiten der Zeitungen erscheinen?
Gretelise Holm:
Natürlich will ich mit meinen Texten auch Fragen aufwerfen und
Diskussionsbeiträge leisten, denn gesellschaftliche Fragen und
Probleme sind heute wichtiger denn je. Gerade zurzeit haben wir ja bereits
eine ausgeprägte Debatte in den Tageszeitungen usw. darüber,
was wir tun sollen, wenn die Menschen immer älter und älter
werden und wir aufgrund der Entwicklungen im medizinischen und gentechnischen
Bereich bald in der Lage sein werden, Menschen bis ins Alter von 120
oder 130 Jahren am Leben zu halten. Und so kommt man ja so zu sagen
zu neuen Schwerpunkten wie zum Beispiel der Frage: Soll man auf diese
Weise weitermachen, und was macht man dann mit den vielen alten Menschen,
die ins Krankenhaus oder ins Pflegeheim müssen? Das ist alles sehr
erschreckend, wie ich meine, aber dennoch ein überaus wichtiges
Problem, zu dem man Stellung nehmen muss. Diese Diskussion habe ich
also in Die Robinson-Morde mit eingeflochten. Und diese führt dann
in einem weiteren Schritt zu der Überlegung und vielleicht zu dem
Postulat, dass sich die klassischen Gesellschaftsstrukturen in der Zukunft
auflösen, dass wir - wie vielleicht in den letzten Jahren unseres
Lebens im Alten- oder Pflegeheim - alle gleich sein werden. Ein weiteres
Thema, dass ich in Die Robinson-Morde behandele, ist das Thema Hexenjagd,
in der Vergangenheit ebenso wie heute, denkt man an die Anfeindungen,
der z. B. die Altenpflegerin ausgesetzt ist.
Bücher der Autorin
Gretelise Holm |
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Und dann geht es auch viel um Glauben. Ich zum Beispiel
habe immer geglaubt, ich sei in Dänemark in eine rationale Gesellschaft
hineingeboren worden. Und was geschieht heute? Die Leute glauben an
alles und lassen sich allen möglichen Unsinn vormachen, wie zum
Beispiel Numerologie. Man kann den Leuten weiß machen, dass sie
von irgendwelchen Krankheiten geheilt werden, wenn sie ihren Namen anders
buchstabieren. Und sie bezahlen auch noch dafür. Eine ganze Branche
ist daraus entstanden.
Alles in allem habe ich vielleicht versucht, die Gesellschaft mit ihren
Problemen auf einer kleinen Insel zusammenzufassen, in einer Art Mikrokosmos
abzubilden.
So gesehen übernimmt der Krimi in meinen Büchern ein wenig
die Rolle als Motor für interessante und aktuelle gesellschaftliche
Phänomene, die unser Leben in den nächsten Jahren sehr beeinflussen
werden. Der Anspruch, den ich mit meinen Krimis an mich selbst stelle,
ist, etwas Unterhaltendes mit etwas Wesentlichem, etwas Wichtigem zu
verbinden und so zu versuchen, die Leser hier und da aufzurütteln,
sodass sie sich auf dem Weg durch den Roman noch ein paar andere Fragen
als "Who done it?" stellen. So geht es mir auch selbst. Am
liebsten lese ich etwas, das bei mir etwas auslöst, etwas in Gang
setzt, Gedanken und Gefühle hervorruft und Fragen aufwirft, das
zum Erlebnis wird. Und dafür eignet sich dieses Genre sehr gut.
Und außerdem ist das, glaube ich, eine für skandinavische
Krimis typische Eigenart.
Aber bei allen gesellschaftskritischen Elementen soll es ja vor allem
immer noch ein Krimi sein. Und da gibt es einige ganz bestimmte Ansprüche.
Ein Krimi muss gut geschrieben sein und einen guten Plot erzählen,
muss spannend und überraschend sein. Daher ist es für mich
nicht nur wichtig, wer es getan hat, sondern vielmehr warum. Das Motiv
und die psychologischen Hintergründe dafür zu entwickeln ist
das, was glaubwürdig und stimmig sein muss. Das Schwierigste am
Krimis schreiben ist für mich nicht so sehr das Erzählen der
Geschichte, sondern die Idee zu finden und den Plot zu entwickeln.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Deine Hauptfigur in `Ein anständiger Mord´(Titel der Originalausgabe:
`Paranoia´) und in `Die Robinson-Morde´, Karin Sommer, hat,
wie ich meine, einen sehr schwierigen persönlichen Hintergrund,
denkt man an den Verlust der Familie im ersten Band, an die Probleme
am Arbeitsplatz und daran, dass sie keine Beziehung, keinen Freund hat,
zu dem sie sich zurückziehen könnte. Solche Hauptfiguren -
egal ob sie nun Journalistin, Polizist oder Privatdetektiv oder was
auch immer sind -, beladen mit persönlichen Problemen, findet man
bei skandinavischen Krimiautoren sehr häufig. Warum gibt es nicht
einmal einen Ermittler oder eine Ermittlerin mit Mann oder Frau und
zwei Kindern zu Hause im Reihenhaus?
Gretelise Holm:
Karin Sommer hat nicht außergewöhnlich viele persönliche
Probleme, wie ich finde, zumindest nicht in diesem Buch, außer
vielleicht, dass sie schon etwas älter ist
(lacht). Im ersten
Band, Ein anständiger Mord, das stimmt, da kommt es für sie
vor allem gegen Ende knüppeldick. Deshalb musste ich es ihr diesmal
auch etwas leichter machen, denn anders hätte ich die Figur Karin
Sommer nur schwer weiterführen können. Zwar kann man ja nicht
sicher sein, dass alle Leute die Bücher in der richtigen Reihenfolge
lesen, aber für die, die Nummer eins gelesen haben, muss es glaubwürdig
sein. Deshalb habe ich hier den ebenfalls schon etwas älteren Arzt
an die Seite gestellt.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ohne zu viel zu verraten könnte man behaupten, dass in `Die Robinson-Morde´
wie in `Ein anständiger Mord´ die Männer nicht immer
den besten Eindruck hinterlassen. Sie erscheinen eher als unumgängliches
Beiwerk zu den starken Frauen, die im Zentrum des Geschehens stehen.
Glaubst du, man kann die Romane so gesehen als eine Art neuen Feminismus
bezeichnen?
Gretelise Holm:
Ja, das stimmt, aber auch die Frauen kommen nicht immer nur
gut weg. Aber es ist schon richtig, in der Darstellung der meisten Männer
in meinen Büchern steckt eine gehörige Portion Satire. So
gesehen kann man sicher von einer Form von neuem oder modernem Feminismus
sprechen. Alle Frauen, die in meiner Generation aufgewachsen sind, sind
ja ein Stück weit Feministinnen gewesen. Doch bin ich zumindest
mit den Jahren ruhiger geworden. Außerdem gibt es oft ja auch
lustige und witzige Momente im so genannten Geschlechterkampf. Als Ein
anständiger Mord in Dänemark erschien, regten sich einige
Kritiker - männliche - darüber auf, dass ich meiner weiblichen
Hauptfigur mit Mitte fünfzig einen ungefähr dreißig
Jahre jüngeren Liebhaber verpasst habe. Das habe ich mir natürlich
sehr zu Herzen genommen, und um deren Weltbild wieder in Ordnung zu
bringen, hat sie diesmal einen Verehrer, der selbst um die siebzig ist.
Wenn überhaupt, gibt es in Die Robinson-Morde also allenfalls einen
nachsichtigen, augenzwinkernden Feminismus.
Abgesehen davon bin ich aber schon der Ansicht, dass auch heute mit
Gleichstellung von Mann und Frau in fast allen Ländern der Welt
längst noch nicht alles zum Besten steht, also aus Sicht der Frauen
natürlich (lacht). Und gerade zurzeit bildet sich unter den jungen
Frauen ja wieder so etwas wie eine Frauenbewegung, so zu sagen die Enkelinnen
der Rødstrømperne.1
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Eine Frage, die du ganz sicher schon öfter gehört hast: Karin
Sommer ist Journalistin, wie du, und sie ist Mitte fünfzig, ebenfalls
wie du. Wie viel Gretelise steckt in Karin?
Gretelise Holm:
Natürlich sind viele der Erfahrungen aus meiner Zeit als Journalistin
und auch die Art, wie und was ich denke, zum Beispiel über den
Journalismus, in der Figur Karin Sommer zu finden. Etwas anders ist
es, wenn es um die Person geht. Beispielsweise ist sie ja Single, und
ich bin 34 Jahre mit demselben Mann verheiratet gewesen und habe Kinder.
Auch habe ich als Journalistin nie in der Provinz gearbeitet, sondern
seit meiner Ausbildung immer in Kopenhagen. Und außerdem habe
ich auch keine solche schreckliche Familiengeschichte wie Karin, keinen
Bruder wie Karin (lacht)
Ich habe fünf Brüder, aber
keiner hat einen Mord begangen, jedenfalls noch nicht (lacht wieder).
Aber im Ernst: Ich habe die Figur Karin ganz bewusst so angelegt, weil
ich erstens eben meine eigenen Erfahrungen im Journalismus einbringen
konnte, was mir das Schreiben sehr erleichtert hat, und zweitens, weil
Frauen zwischen fünfzig und siebzig in der Literatur so gut wie
nicht zu finden sind. Und das ist ein ganz eigenartiges Alter für
Frauen, weil sie zu alt sind, um sexy oder sexuell begehrenswert zu
sein und gleichzeitig noch nicht alt genug sind, um als liebenswerte
Omi zu Hause im Lehnstuhl zu sitzen. Meistens haften ihnen irgendwelche
Schwiegermutterklischees an, dabei sind sie oft sehr kompetent und stark,
sehr fleißig und gut in ihrem Job, und deshalb haben Männer
häufig Angst vor ihnen. Und so dachte ich, es könnte sehr
spannend sein, eine Frau in den Fünfzigern als Hauptfigur zu erschaffen.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Als `Ein anständiger Mord´ in Dänemark erschien, war
in den Zeitungen zu lesen, dass die deutschen Verlage bereits Schlange
standen, um die Rechte an dem Buch zu erwerben. Es war von 500.000,-
Kronen die Rede. Was bedeutete es für dich, dass dies so öffentlich
diskutiert wurde? Ich könnte mir vorstellen, dass man sich ziemlich
unter Druck gesetzt fühlt, nicht nur, was die Erwartungen an dieses
Buch, sondern auch die an den Nachfolger angeht.
Gretelise Holm:
Die Rechte wurden sogar per Auktion versteigert, und das
hat mich sehr gefreut und auch ein wenig stolz gemacht, denn es war
ja der erste richtige Kriminalroman, den ich geschrieben hatte. Und
er wurde ja auch nach Norwegen, Schweden und Holland verkauft. Ich bin
sehr froh, dass das Buch so gut lief und immer noch läuft.
Auf der anderen Seite ist es richtig, ich fühlte mich schon unter
Druck gesetzt und spürte so etwas wie Versagensängste. Der
erste Band ist ja sehr düster, und ich habe mich lange gefragt,
wie ich nun den Nachfolger mit der gleichen Heldin anlegen soll. Sie
ist ja am Ende des ersten Buchs am Boden zerstört, und da habe
ich mich für eine weniger dunkle und etwas heitere Fortsetzung
entschieden. Der nächste Roman, an dem ich gerade arbeite, wird
dafür wieder sehr viel düsterer, wieder mehr ein Thriller,
mit ziemlich viel Blut (lacht). Es geht um Krieg und Frieden und um
einen dänischen Auftragskiller, der als Soldat im Irak war und
dort seine moralischen Skrupel verloren hat. Dänemark befindet
sich ja im Krieg, und als "alte" Friedensaktivistin habe ich
dieses Hintergrundthema natürlich aufgegriffen und in die Handlung
eingebaut. Tatsächlich finde ich unglaublich, was sich zurzeit
ereignet, und ich frage mich, warum keine neue Friedensbewegung entsteht.
Ich bin zu alt zum Demonstrieren. Ein Handlungsstrang läuft auch
nach Deutschland hinein, aber jetzt will ich auch nicht zuviel verraten.
In Die Robinson-Morde wird ja für einen Krimi nicht sehr viel Blut
vergossen, vielmehr sind sogar einige humoristische Passagen zu finden,
wie ich meine.
Buchtipp |
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Literaturportal schwedenkrimi.de:
Schaut man sich die dänische Literatur in diesen Tagen an, könnte
man sagen, dass das Krimigenre nicht gerade zu den dominierenden Schwerpunkten
zählt, wie zum Beispiel zumindest zurzeit in Schweden oder Norwegen.
Es ist mehr so eine Art Hinterhof- und Tankstellenrealismus, für
den die dänische Literatur derzeit steht, denkt man an Autoren
wie Jan Sonnergaard oder Jakob Ejersbo. Was glaubst du warum der dänische
Krimi es im Vergleich mit Schweden und Norwegen so schwer hat, im eigenen
Land Anerkennung zu finden?
Gretelise Holm:
Stimmt, in Dänemark wird der Krimi nicht als Literatur angesehen.
Aber ich habe den Eindruck, dass sich das im Augenblick ändert.
Ich kann nicht genau sagen warum, aber es kommt mir so vor. Krimis werden
in der Presse immer öfter ernsthaft und kritisch besprochen, und
inzwischen gibt es jedes Jahr ein Krimiseminar in Horsens, an dem ich
auch teilgenommen habe. Nach und nach wird der Krimi in Dänemark
mehr und mehr akzeptiert, und die Anzahl an Krimiautoren nimmt ja auch
ständig zu. Immer mehr so zu sagen "literarische" Schriftsteller
schreiben sehr moderne, halbliterarische Krimis. Viele Jahre lang waren
dänische Krimis ja auch oft sehr einfach aufgebaut und ohne literarischen
Anspruch. Der große Durchbruch des modernen Krimis in Dänemark
war Peter Høegs Fräulein Smillas Gespür für Schnee,
wie ich finde, der erste literarische Krimi, wenn man so will. Vielleicht
kann man auch noch Dan Turèll mit hinzunehmen. Aber die Einbindung
von sozialen und gesellschaftlichen Problem- und Fragestellungen im
Kriminalroman ist bei uns noch sehr jung, jedenfalls im Vergleich zu
Schweden, das ja in dieser Richtung mit Maj Sjöwall und Per Wahlöö
viel mehr Tradition hat.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
In einem Interview mit `Politikens netavis´ aus 2002 hast du gesagt,
dass du irgendwann das schreiben möchtest, was andere als "richtige
Literatur" ansehen. Was ist das für dich, richtige Literatur?
Gretelise Holm:
Ich kann mich gar nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben. Normalerweise
interessieren mich solche Unterscheidungen auch nicht besonders. Vielleicht
habe ich gesagt, dass ich nicht den Anspruch habe, das zu schreiben,
was andere als "richtige Literatur" bezeichnen. Ich schreibe
sehr gerne Krimis und bin sehr zufrieden damit, so eine Art "Gebrauchsliteratur"
zu schreiben, eine Mischung aus Handwerk und Kunst. Für mich ist
das "richtige Literatur", und es ist mir gleichgültig,
ob einige Leute das für schöngeistige oder sonst wie hochwertige
Literatur halten oder nicht. Das muss also ein Missverständnis
gewesen sein, was da in Politikens netavis stand.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
`Mercedes-Benz-Syndrom´2, mit dem
du 1998 den Preis der Dänischen Kriminalakadmie für das beste
Debüt gewonnen hast, spielt in Afrika. Du selbst hast fünf
Jahre lang in Zimbabwe gelebt. Henning Mankell, der so etwas wie ein
Pendler zwischen Mosambik und Schweden ist, hat einmal gesagt, dass
ihm der Abstand zwischen den beiden Ländern einen klareren Blick
auf das ermöglicht, was in Schweden vor sich geht. Was bedeuten
die Jahre in Afrika heute für dich?
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Legende |
1 |
Die roten Strümpfe;Gruppierung
und Bewegung, die sich in den 70er- und 80er-Jahren in Dänemark
für die Gleichstellung von Mann und Frau einsetzte. |
2 |
Noch nicht in
deutscher Übersetzung erschienen |
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Gretelise Holm:
Besonders zu Beginn war es ein prägendes Erlebnis, nach Afrika
zu kommen. Ich fühlte mich mit einem Mal sehr dänisch, obwohl
ich sonst oft sehr kritisch mit Dänemark umgehe. Damals war ich
froh, Dänin zu sein, und es gab noch alle möglichen Gründe,
stolz auf Dänemark zu sein. Doch davon hat unser unterbelichteter
Staatsminister sehr viel kaputt gemacht, als er sich der Bush-Regierung
angeschlossen hat. Heute macht es mich wirklich sehr traurig, wenn ich
sehe, wie Dänemark sich entwickelt. Und dann ärgert es mich,
dass es fast keine öffentliche Debatte über unseren Kriegseinsatz
gibt, warum wir das tun und darüber, dass die Welt dadurch nur
noch unsicherer wird. Aber zurück zu Afrika und Zimbabwe.
Als ich gemeinsam mit meinem Mann dort ankam, hatte ich zunächst
keine Arbeitserlaubnis, aber dann bekam ich einen Job: Ich sollte wirtschaftliche
und politische Analysen für das dänische Außenministerium
schreiben, warum es um so viele Länder in Afrika so schlimm steht,
wie es tatsächlich der Fall ist. Und so habe ich dann einige sehr
langweilige Bücher geschrieben, die nur eine Handvoll Experten
gelesen haben. Und da dachte ich mir: Nein, du weißt so viel über
Afrika und darüber, warum es so vielen Menschen hier so schlecht
geht. Und so kam ich auf den Gedanken, einen Afrika-Roman zu schreiben,
einen Entwicklungsroman, der die Zustände dort zu erklären
versucht. Es ist ja nicht nur ein einzelnes Problem, um das es geht,
sondern es ist alles sehr kompliziert. Und dann habe ich überlegt:
Wie kriege ich auch nur einen einzigen Dänen dazu, so ein Buch
zu lesen? Also habe ich einen Krimi darüber gelegt, und so entstand
Mercedes-Benz-Syndrom, wofür ich dann den Preis bekommen habe.
Und dann kamen einige Verlage und baten mich, im Krimigenre weiterzumachen
und eine weibliche Heldin zu verwenden. Und ich sagte: Gut, ich will
das versuchen, und so kam mir die Idee mit der Kriminalreporterin. Und
auf einmal sollten es drei oder vier Bücher sein. Jetzt arbeite
ich an dem dritten, und dann kommt in jedem Fall noch ein weiteres.
Aber ich kann mir auch sehr gut vorstellen, irgendwann auch einmal einen
historischen Krimi zu schreiben, denn Geschichte hat mich immer interessiert
und ich habe ja auch einige Schul- und Lehrbücher in diesem Bereich
geschrieben. Also das würde mich jedenfalls auch sehr reizen.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Besteht berechtigte Hoffnung, dass `Mercedes-Benz-Syndrom´ eines
Tages auch in deutscher Übersetzung erscheint?
Gretelise Holm:
Ich hoffe das auch sehr, denn auf das Buch bin ich wirklich
sehr stolz. Doch kommt es natürlich auch darauf an, ob Ein anständiger
Mord und Die Robinson-Morde vom deutschen Publikum gut angenommen werden.
Mit Ein anständiger Mord ist es sehr gut gelaufen, es ist kein
Megaseller wie Henning Mankell, aber tatsächlich sehr erfolgreich.
Jetzt müssen wir abwarten, wie es mit dem zweiten Buch wird. In
Dänemark hat es sich sehr gut verkauft, aber erfahrungsgemäß
muss ein dänisches Buch immer erst in Schweden und Norwegen erscheinen,
bevor es in weitere Sprachen übersetzt wird.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Aber ganz sicher können wir uns auf weitere Krimis mit Karin Sommer,
Andrea Vendelboe, Halfdan Thor und vielleicht auch mit Jørgen
Vad freuen?
Gretelise Holm:
Tatsächlich hatte ich überlegt, ob Karin nicht in jedem Buch
einen neuen Freund oder Liebhaber oder was auch immer haben sollte.
Aber viele Leser und vor allem Leserinnen haben mir gesagt, dass sie
Jørgen so sympathisch finden, dass er unbedingt dabei bleiben
müsse. Mal sehen, was sich da machen lässt.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Gretelise, vielen Dank für das Gespräch.
Autor: Patrick Zöller
© Juli 2004 - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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