Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
-
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
Hier können Sie schon mal Probelesen im neuen Buch der Autorin Stella Blómkvist.
Jetzt Bestellen

Der falsche Mörder
BESTELLEN


Broschiert
btb Verlag
Erscheinungsdatum:
Oktober 2005
ISBN: 3442733529
Originaltitel:
"Mordid i haestaretti"
Übersetzung:
Elena Teuffer

Kurzbeschreibung

Tod eines Zuckerpüppchens. Ein neuer Fall für die eigenwillige Anwältin Stella Blómkvist: Im Büro eines ehrbaren Richters wird eine leichtlebige Schauspielerin tot aufgefunden. Der Richter wird verhaftet, Videos beweisen, dass er mit der Frau, die auch als Stripperin arbeitete, ein Verhältnis hatte. Stella muss Intrigen und Erpressung im Theatermilieu aufdecken, allerlei Leichen begutachten und sogar Handgreiflichkeiten überstehen, ehe sie den wahren Mörder der Polizei zuführen kann, die gar nicht erfreut ist über diesen Alleingang der ungestümen Anwältin.

Weitere Informationen (Ext. Link)

Leseprobe

Erste Woche


1

Erster Sonntag im März
Er ist auf dem Weg. Der verdammte Orgasmus.
Ich habe Ort und Zeit vergessen. Mich ganz der Macht der Lust hingegeben, die von der Erinnerung an den schnittigen schwarzen Hengst und die heiße Musik in den Nerven meines Körpers entfacht wurde. Hier sprühen auch immer noch die züngelnden Flammen meines wunderbaren Feuerwassers aus Tennessee Funken.

Jetzt geht es nur noch darum, die Finger diesem harten, schnellen Rhythmus anzupassen, der mich mitten in der Nacht unter den bunten, blinkenden Lichtern völlig im Griff hatte. Wo ich vom Fieber der Triebe völlig besessen abgezappelt habe, fühlte, wie der Schweiß in Strömen zwischen den Brüsten, den Bauch und dann die Beine hinunterrann und das dünne Shirt und den eng anliegenden Rock durchnässte.
Um mich herum war alles voll von halb nackten Leuten, die wie huschende Schatten, die ständig in Bewegung waren, in meinem Blickfeld auftauchten und wieder verschwanden.
Aber ich hatte nur Interesse an einem.
Meinem Hengst. Meinem süßen, nächtlichen Spielzeug.
Diesem kohlrabenschwarzen, hoch gewachsenen amerikanischen Hengst, der erzählte, dass er hierher in das nördliche Reich der Kälte gekommen sei, um einen rotbraunen Basketball zu tätscheln.
Wahnsinn, wie fingerfertig er war!
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich ihn vor mir, als hätte ich ihn immer noch im Arm. Er konzentriert den Blick seiner teerschwarzen Augen auf mich.
Stark. Durchtrainiert. Und allzeit bereit.
Presst sich an mich. Zeigt mit Taten, dass er auch mit anderen Dingen als einem dämlichen Ball umgehen kann. Lässt mich seine Muskelknarre spüren, die geladen bis zu seinem Nabel reicht.
Langsam, Stella! Langsam!
Ich will so weitermachen.
Genau so.
Will die Erregung so lange wie möglich genießen.
Plötzlich beginnt die Musik in meinem Kopf aus dem Takt zu geraten. Irgendetwas stört den tollen Beat.
Irgendetwas, das eintönig, frech und nervig klingt.
Unerträglich!
Der wohlige Augenblick geht vorbei.
Die anstachelnde Musik bekommt Schluckauf und stirbt langsam ganz aus. Der schwarze Hengst versinkt wieder im Dunkel der Erinnerungen. Der Orgasmus zieht sich in sein Versteck zurück.
Alles nur, weil irgendein Idiot an meiner Haustür einen Veitstanz aufführt. Drückt endlos auf die Klingel. Wieder und wieder und wieder.
Ich liege in Schweiß gebadet und keuchend unter meiner Bettdecke. Mit klatschnassen Fingern.
Versuche, das ständige Klingeln zu überhören. So zu tun, als würde ich nichts hören. Als wäre ich nicht zu Hause. Oder eben gestorben! Verschwunden!
»Weiche von mir, Satan!«
Aber es ist zu spät. Die erotikgeladene Stimmung ist vorbei. Die Fata Morgana verschwunden.
Es ist einfach wieder nur ein normaler Sonntag.
Und ich bin alleine im Bett.
Das Klingelmonster gibt nicht auf. Es scheint sich vorgenommen zu haben, den ganzen Tag zu schellen. Oder bis ich aufgebe und die Treppe heruntertippele.
Verdammter Sack!

  Stella Blómkvist bei schwedenkrimi.de
Biografie
Autorengedanken/ Essay
Autoreninterview 2005
Autoreninterview 2007
Übersetzerinterview
Buchvorstellungen
Rezensionen
Leseprobe

Schließlich halte ich diese Tortur nicht mehr aus.
Rolle mich aus dem Bett. Fahre mit meinen Füßen wütend in die weichen Pantoffeln. Streife mir den warmen Bademantel über. Binde den Gürtel fest.
Fahre mit den Fingern durch mein helles, langes Haar. Meinen Goldschatz. Bevor ich ins Erdgeschoss flitze.
»Was zum Teufel ist denn los?«, schreie ich kochend vor Wut in die Gegensprechanlage.
»Entschuldige, aber ich muss umgehend mit dir sprechen.« Die Stimme klingt gefasst. Wichtig.
»Komm später.«
»Leider kann mein Anliegen nicht warten, da mein Freund noch heute vor Gericht erscheinen muss und er dich unbedingt vorher noch treffen muss.«
»Sonntags?«
»Ja, es ist so ein Fall. Würdest du bitte die Tür öffnen, damit ich dich über die Vorkommnisse in Kenntnis setzen kann?«
»Nein!«
Er zögert einen Moment. Versucht dann einen anderen Weg zu meinem Herzen.
»Also, ich bin überzeugt davon, ähem, dass du großes Interesse daran haben wirst, diesen Fall anzunehmen, sobald du gehört hast, was ich dir zu unterbreiten habe.«
»Geh nach Hause, schlafen!«
»Außerdem muss erwähnt werden, dass ich dich nur darum bitte, deinen Pflichten als Anwältin nachzukommen.«
»Ich bin nur mir selbst gegenüber verpflichtet. Nicht irgendwelchen verrückten Kerlen, die mich zu unchristlichen Zeiten sonntagmorgens aus dem Bett schmeißen.«
»Unchristliche Zeit? Es ist doch schon früher Nachmittag!«
Früher Nachmittag?
Ich gucke auf die Uhr. Es ist kurz vor zwei.
Uff!
Der Kerl hat mir sowieso schon den Tag versaut.
Wahrscheinlich werde ich bis in den späten Abend hinein aufgedreht und genervt sein. Wie immer, wenn ich nicht zu meinem Recht komme. Und er ist an allem schuld.
»Würdest du mich jetzt bitte hereinlassen?«, wiederholt das Klingelmännchen standhaft.
Er ist jünger, als ich erwartet habe. Wahrscheinlich Ende dreißig. Schlank. Mit aschblondem Haar und ein paar traurigen Härchen, die einen Schnauzer darstellen sollen.
»Ich habe in den vergangenen zwei oder drei Stunden deine beiden Telefonnummern abwechselnd angerufen, aber bekam immer die automatischen Ansagen«, sagt er entschuldigend. »Aber weil die Sache nicht warten kann, musste ich direkt zu dir fahren, obwohl es ein Feiertag ist.«
Er zieht seinen dunklen Wintermantel aus. Sieht aus wie ein Amtsschimmel. Aktentaschenträger. Bürokrat. Steckt in einem grauschwarzen Anzug.
Da erst nehme ich den Kragen wahr.
»Bist du ein Pfarrer?«
»Ja. Erlaube mir, mich vorzustellen, ich bin Pfarrer Gudleifur Augúst Samsonarson. Ich möchte mich noch einmal entschuldigen, aber die Sache ist wirklich dringend, und ich habe meinem Schwiegervater versprochen, dass ich so lange versuchen würde, dich zu erreichen, bis ich mit dir persönlich gesprochen habe.«
Ich latsche an ihm vorbei.
Gehe direkt in mein Büro, das im Parterre direkt vom Flur abgeht. Setze mich in meinen schwarzen Chefsessel mit der hohen Lehne. Fixiere ihn mit den Augen: »Setz dich!«
Er nimmt auf dem Stuhl mir gegenüber Platz. Trägt seinen Mantel wie ein Baby.
»Und wer ist also dein wichtiger Schwiegervater?«, schnauze ich ihn an. »Der Typ da oben, oder was?«
»Ich bin im Auftrag von Adalgrímur Sunndal hierher gekommen.«
Was???
Ich halte die Luft an. Ganz unbeabsichtigt. Vor Verwundung.
Adalgrímur Sunndal sitzt auf einem der höchstdotierten Posten der Verwaltung. War in den letzten fünfzehn Jahren oder so Richter am Obersten Gericht.
Warum wendet er sich an mich?
Verwaltungsbonzen und Politikusse sind seine besten Freunde.
»Du musst dich in der Tür geirrt haben«, sage ich nach einer Weile Schweigen.
»Ganz und gar nicht.«
»In der Rechtsanwaltsszene gibt es mehr als genug schleimige Schmeichler, die davon leben, solche Kerle aus banalen Schlammgruben zu retten. Das ist nicht mein Ding.«
»Adalgrímur braucht ganz dringend dich und niemand anderen.«
»Warum?«
Der Pfarrer tut sich plötzlich schwer, zum Kern der Sache vorzustoßen.
»Ich bin, ähem, natürlich völlig überzeugt davon, dass es sich hier um ein furchtbares Missverständnis handelt, aber Adalgrímur ist tatsächlich gezwungen, heute Nachmittag vor Gericht zu erscheinen. Soweit ich verstanden habe, ist beim Richter Untersuchungshaft beantragt worden.«
»Untersuchungshaft? Für den Richter des Obersten Gerichts persönlich? Für was?«
»Ihm wird ein völlig abwegiges Vergehen unterstellt.«
Ich starre Pfarrer Gudleifur fest in die Augen: »Was für ein Verbrechen hat er begangen?«
Er wendet seinen Blick ab.
»Soweit ich verstanden habe, ähem, verdächtigt die Polizei ihn, dass er für den Tod einer jungen Frau verantwortlich ist«, antwortet er schließlich.
»Für einen Tod verantwortlich? Sprichst du über Mord?«
Der Pfarrer zuckt im Stuhl zusammen, als er dieses Wort laut ausgesprochen hört. Wie bei einem unerwarteten Hieb mit der Peitsche.
»Ich denke, dass du das richtige Wort gefunden hast.«
Ein Richter des Obersten Gerichts des Mordes verdächtigt?
So ein Blödsinn!
Pfarrer Gudleifur guckt mir wieder in meine starrenden Augen.
»Ist das dein Ernst?«, frage ich.
»Ja, leider.«
Ich fühle, wie mein Blut wieder mit Hochgeschwindigkeit durch meinen Körper rauscht.
Atme ein paar Mal tief ein, bis ich mich wieder eingekriegt habe, und wäge die Lage ab. Konzentriere mich dabei auf den Pfarrer, dem es überhaupt nicht gelingt zu überspielen, wie unangenehm ihm sein Auftrag ist.
»Soweit mir bekannt ist, kennt Adalgrímur dich nur durch deine Arbeit als Anwältin in verschiedenen Fällen«, fährt er fort. »Aber genau deshalb will er von dir vertreten werden. In solchen Fällen nämlich, ähem, glaubt er an dich, wie er wortwörtlich gesagt hat.«
Der Kerl sagt höchstwahrscheinlich die Wahrheit. Warum sollte ein gesalbter Gottesmann mich verarschen?
»Warte hier«, sage ich und stehe auf. »Ich muss mal kurz unter die Dusche springen. Bin in einer Viertelstunde fertig. Okay?«
Er nickt wie ein gehorsamer Junge.
Ich flitze die Treppe hoch. Schmeiße meine feuchten Klamotten auf den Fußboden im Badezimmer. Stelle die Dusche an. Springe unter den heißen Strahl.
Verteile den duftenden Seifenschaum auf dem ganzen Körper.
Mit den Gedanken ganz woanders.
Versuche mich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass auch ein Richter am Obersten Gericht ein Mörder sein kann. So wie jeder andere.
»Der Teufel macht keine Unterschiede.«
Sagt Mama.

2

Was für 'ne Scheißkälte!
Der Frostwinter hat Reykjavík fest im Griff. In den letzten Wochen haben Schneestürme und eisige Windböen die Natur und menschliches Leben außer Haus in Ketten gelegt.
Fußgänger sind dick vermummt wie Gletscherforscher. Gehen gebeugt dem Nordwind entgegen, als ob sie gegen einen unsichtbaren Feind ankämpfen würden.
Ich beeile mich, in den Wagen des Pfarrers einzusteigen. Lasse mich zum neuen Spiegelpalast des Polizeipräsidenten am Strand kutschieren, wo die Goldjungs Adalgrímur in Gewahrsam haben. Ich halte es für relativ sicher, dass ich nach der feuchten und durchtanzten Nacht immer noch einen zu hohen Alkoholpegel im Blut habe, um mich selber hinters Steuer zu setzen. Habe längst damit aufgehört, solche dummen Risiken einzugehen.
Pfarrer Gudleifur ist ein Jeep-Fahrer. Trotzdem ist er übervorsichtig im Reich des Winters. Scheint einen Megaschiss vor dem Glatteis zu haben, das die hohen Minusgrade der letzten Woche überall in der Stadt hinterlassen haben.
»Was ist denn das für ein Herumgetrödel?«, frage ich barsch. »Solltest du nicht auf göttliche Vorsehung vertrauen - im Verkehr wie auch sonst?«
»Ich, ähem, halte es immer für das Beste, vollste Vorsicht auf den Straßen des Landes walten zu lassen, wie auch im Leben an sich.«
»Ist es nicht möglich, diese Jeep-Kiste aufzuheizen?«
Er stellt das Gebläse an, ohne die Augen von der Straße zu nehmen. Geschweige denn die Geschwindigkeit zu erhöhen.
Ich finde mich langsam mit dem unerwarteten Ereignis ab, dass ein Richter am höchsten Gericht des Mordes verdächtigt wird. Ich finde es nicht mehr so unglaublich wie am Anfang.
Diesem Gedanken folgen jedoch gemischte Gefühle.
Natürlich habe ich Fälle am Obersten Gericht verloren und die Richter in Grund und Boden verflucht, weil ich sie für blinde Obrigkeitsdiener hielt. Trotzdem war ich irgendwie immer davon ausgegangen, dass dieses höchste Gericht des Volkes über den Bodensatz der Gesellschaft erhaben sei.
Wie kindisch!
Die Richter am Obersten Gericht sind natürlich genauso fehlbar wie alle anderen. Und wenn ich im Vorhinein auf jemanden hätte zeigen sollen, den ich am ehesten für einen richtigen Kriminellen halten würde, wäre mir der Name Adalgrímur Sunndal mit Sicherheit als Erstes eingefallen.
Seine Karriere stand schon öfter auf der Kippe zum Unmoralischen.
Zumindest den saftigen Geschichten zufolge, die einige Anwälte schon seit Jahren durchkauen.
Aber jetzt ist es das erste Mal, dass ich gehört habe, dass er der Gewaltanwendung beschuldigt wird.
Der Pfarrer scheint wenig über den eigentlichen Mordfall zu wissen. Außer natürlich, dass der Schwiegervater völlig unschuldig ist.
»Adalgrímur hat mir in einem Telefonat am späten Vormittag erklärt, dass dies völlig abwegige Anschuldigungen seien, und ich glaube ihm voll und ganz, zumal er, ähem, ein friedfertiger Mensch ist«, sagt Pfarrer Gudleifur und schaut ausdauernd nach links und rechts, bevor er das Auto in einen dicht befahrenen Kreisverkehr manövriert. »Ich habe auch keine Informationen über irgendein Beweismaterial gegen ihn, allerdings fällt mir auch nichts ein, was das sein könnte.«
Er behauptet, noch nicht einmal zu wissen, wer ermordet wurde, geschweige denn wo. Also beginne ich, ihn über seine Beziehung zum obersten Richter auszufragen.
»Meine Frau, Sólveig, ist Adalgrímurs einzige Tochter«, antwortet er. »Wir haben vor fünf Jahren geheiratet, und seitdem wohnen wir im Pfarrhaus im Osten. Adalgrímur hat versucht, uns jeden Samstag zu besuchen.«


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

»Er alleine?«
»Mein Schwiegervater hat seine Frau vor ein paar Jahren durch Krebs verloren. Das war, ähem, ein großer Verlust für uns alle, aber natürlich besonders für ihn.«
»Wohnt er seitdem alleine?«
»Ja, richtig. Aber er hat natürlich viele Freunde in der Stadt, sowohl alte Schulfreunde als auch Mitarbeiter, die er während eines langen Berufslebens kennen gelernt hat. Adalgrímur ist ein geselliger und unterhaltsamer Mensch, und daher, ähem, ziemlich gefragt in seinem Freundeskreis.«
»Im Moment ist sein Typ allerdings nicht nur bei seinen Freunden gefragt, wie mir scheint. Ansonsten klingst du wie der Vorsitzende seines Fanclubs.«
»Ich werde diesen Mann immer schätzen, was auch passieren mag.«
»Bist du so sicher? War es nicht einer von euren Knaben, der seinen Herren drei Mal verriet?«
Pfarrer Gudleifur stöhnt.
»Ich bestreite nicht, dass wir alle unsere schwachen Stunden haben.«
Auf dem Weg durch den langen Flur bei der Kripo gucke ich bei Raggi rein. Er ist endlich auf dem Weg nach oben im Polizeiapparat. Ist Oberkommissar geworden.

Als ich ohne anzuklopfen seine Tür öffne, sitzt er am Computer und versucht, mit zwei Fingern einen Bericht zu tippen.
Sein vorgewölbter Bauch stößt an die Tischkante.
Er hat, trotz immer neuer Versuche Gewicht zu verlieren, nicht abgenommen. Andererseits werden seine Haare auf dem Kopf immer weniger.
Raggi guckt ganz automatisch zur Seite, als ich hereinkomme. Glotzt mich eine Sekunde an, aber ist in Gedanken ganz offensichtlich noch beim Bericht.
Sein Farbgeschmack ist auch nicht besser geworden.
O je!
»Hast du diese roten Hosenträger geschenkt bekommen?«, frage ich.
Er wirft einen schnellen Blick auf seine Brust. Lehnt sich dann in seinem Stuhl zurück. Guckt mich beleidigt an.
»Sind sie nicht schick?«
Ich schüttele den Kopf.
»Mir ist ganz egal, was du findest«, fährt er fort und wedelt mich mit der Hand weg von sich. »Lass mich in Ruhe.«
»Raggi, Herzchen, glaubst du, ich bin hierher gekommen, um mich zu amüsieren? Und dazu auch noch in dieser lausigen Gesellschaft? An einem Sonntag?«
»Was willst du?«
»Adalgrímur Sunndal treffen.«
Zuerst ist er sprachlos. Dann lacht er lauthals.
»Habe ich irgendwas Witziges gesagt?«
»Du und Adalgrímur?« Raggi tut so, als wäre er empört. »Der ist aber tief gesunken.«
»Er will nur das Beste, Herzchen. Deshalb wendet er sich natürlich an mich.«
Ich erlaube Raggi, sich eine Weile zu amüsieren. Verlange dann die Unterlagen des Falles. Und ein Gespräch mit Adalgrímur.
»Wir sind noch dabei, die ersten Vernehmungsprotokolle einzugeben«, sagt er. »Aber hier hast du schon mal die Fotos vom Tatort.«
»Der sich wo befindet?«
»Im neuen Haus des Obersten Gerichts, genau genommen in Adalgríms Büro in der obersten Etage.«
Das erste Foto wurde beinahe direkt über einem Mädchen aufgenommen, das auf einem blau bezogenen Sofa auf dem Rücken liegt.
Sie hat eine schwarze Lederjacke an, die vorne offen ist. Trägt einen winzigen Slip. Einen Büstenhalter, der fast durchsichtig ist. Und teure, hochhackige Schuhe. In Blutrot.
Sie ist vermutlich Mitte zwanzig. Fachmännisch geschminkt. Mit langem dunklen Haar. Hellrosa Lippen. Schönem Körper.
Sexy.
Die leblosen Augen sind geöffnet. Sie scheinen direkt in die Linse zu starren.
»Wie ist sie gestorben?«
»Wir warten noch auf den vorläufigen Obduktionsbericht«, antwortet Raggi, »aber alles weist darauf hin, dass sie mit einem Messer oder ähnlichen scharfen Gegenstand in die Brust gestochen wurde. Du siehst es besser auf den anderen Bildern.«
Uff!
Die Goldjungs haben Nahaufnahmen von den Verletzungen am Brustkorb gemacht. Blut ist aus einer Stichwunde auf der linken Seite des Mädchens gesprudelt. Ist erst auf das Sofapolster und von da aus auf den Fußboden geflossen. Eine große, dunkle Blutlache befindet sich unter dem Sofa.
»War die Mordwaffe am Tatort?«
»Nein, wir suchen sie immer noch.«
»Wer ist das Opfer?«
»Sjöfn Saeunnardóttir. Sie soll als Schauspielerin und Tänzerin gearbeitet haben, wie uns mitgeteilt wurde.«
»Tänzerin?«
»Ja, sie soll ab und zu mal mit der Säule gespielt haben.«
»Welche Verbindungen hat sie zu Adalgrímur?«
»Abgesehen davon, dass sie ermordet auf dem Sofa in seinem Büro im Haus des Obersten Gerichts aufgefunden wurde?«, fragt Raggi und grinst.
»Musst du so sarkastisch sein?«
Raggi steht auf. Streckt sich. Schiebt dabei seine Wampe in die Luft.
»Du bist doch hergekommen, um deinen Mandanten zu treffen, oder?«, sagt er und watschelt lahm am Schreibtisch vorbei auf die Tür zu.
»Dann frag ihn doch selber.«

3

Sie lassen mich im Gesprächszimmer warten.
Die Goldjungs.
Fast eine Viertelstunde.
Nur um mich zu ärgern.
Ich bin daran gewöhnt, Adalgrímur im Obersten Gericht thronen zu sehen. Im meeresgrünen Kupferpalast am Arnarhól.
Herausgeputzt in der königsblauen Robe der Macht.
Überheblich auf seinem Podest.
Und sein Fall war tief. Oder so ähnlich.
Adalgrímur hat keine Robe an. Weder Sakko noch Krawatte.
Trägt nur ein weißes Hemd, das er am Hals aufgeknöpft hat, dunkle Hosen und glänzende schwarze Schuhe.
Er ist kompakt gebaut, ohne direkt fett zu sein.
Jetzt, wo er vor mir steht, statt gemütlich in seinem Richtersessel zu sitzen, kommt er mir viel kleiner vor.
Die grauen Strähnen im unbändigen Haar fallen auch stärker auf als sonst. Und das Gesicht sieht geschwollen und müde aus.
»Stella Blómkvist, wenn ich mich nicht irre«, sagt er und lächelt schwach.
Sein Sinn für Humor scheint jedenfalls noch in Ordnung zu sein.
»Dies sind zweifellos ungewöhnliche Umstände für uns beide«, fährt er fort und setzt sich an den einzigen Tisch im fensterlosen Zimmer.

Vielen Dank an den btb Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
© 2001 - 2016 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
Ein Portal der n:da - nordpower design agentur
[ Start ] | [ Autoren A-Z ] | [ Kontakt ] | [ Impressum ] | [ Sitemap ] | [ Datenschutz ]



Startseite Autoren Specials Forum Krimilinks Hörbücher Sitemap - Inhaltsverzeichnis