Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Interview mit dem Autor Þráinn Bertelsson

Der Autor Þráinn Bertelsson
Der Autor Þráinn Bertelsson
Þráinn Bertelsson, 1944 in Reykjavik geboren, ist ein Mann mit sehr vielseitigen Begabungen. Er ist ein sehr erfolgreicher Filmregisseur, Drehbuchschreiber und Schriftsteller. Sieben erfolgreiche Filme stehen in seinem Œuvre. Darunter der Film Magnús, der für den europäischen Filmpreis "Felix" nominiert war. Er schrieb eine sehr erfolgreiche Autobiographie "Einhvers konar ég" und ist in Island einer der bekanntesten Zeitungskolumnisten. Die letzten drei Bücher, die Þráinn veröffentlicht hat, sind seine Trilogie um den Kommissar Víkingur und sein Team. Diese Trilogie besteht aus  "Dauðans óvissi Tími", "Valkyrjur" und "Englar dauðans". Nun ist bei dtv der zweite Teil dieser Trilogie unter dem Titel "Walküren" erschienen. Das Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien nahm dies zum Anlass, ein ausführliches Interview mit Þráinn zu führen. Die Gelegenheit, mit ihm über seine Filme, seine Bücher und seine Kriminalromane zu sprechen.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Þráinn, in diesem Jahr ist Dein erstes Buch in Deutschland veröffentlicht worden. Der Titel lautet "Walküren". Wie Du mir gesagt hast, sind die Geschichten um den Kommissar Víkingur Gunnarsson als Trilogie angelegt. Du bezeichnest sie selbst als satirische Kriminalromane über die isländische Gesellschaft während des Jahrtausendwechsels und dem Beginn des neuen Milleniums. Sie beinhalten die drei gefährlichsten Mißstände unserer modernen Gesellschaft: den Mißbrauch der Macht durch skrupellose Geschäftsleute, schäbige Politiker und natürlich Drogen, die die westliche Welt aus fernen Ländern importiert. Wie kamst Du auf die Idee, eine Trilogie darüber zu schreiben und dies in Form von Kriminalromanen?

Þráinn Bertelsson:
Im Grunde beschreibt der „Kriminalroman“ den Kampf zwischen „Gut und Böse“. Da er fast noch das einzige künstlerische Medium ist, welches für die normalen Menschen (auch die breite Öffentlichkeit genannt) immer noch Anreize bietet, denke ich, ist er sehr gut für meine Betrachtungen über das menschliche Verhalten in meiner Umgebung geeignet.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Der erste Teil der Reihe "Dauðans óvissi Tími" (Die Ungewissheit des Todes) ist als kraftvolle zeitgenössische isländische Saga beschrieben worden. Und weiter: das Buch enthält alles über menschliches Verhalten in der sich immer wieder veränderten isländischen Gesellschaft und wirft einige sehr wichtige moralische Fragen auf. Welche Fragen sind das?

Þráinn Bertelsson:
Zum Beispiel: Gut gegen Böse, Richtig gegen Falsch – und am wichtigsten „wer war es?“

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Eine interessante Figur in Deinen Krimis ist sicherlich der Hauptkommissar Víkingur. Wie kommt man eigentlich darauf, einen ehemaligen Theologen als Kriminalkommissar zu nehmen?

Þráinn Bertelsson:
Polizeiarbeit findet im Grenzgebiet statt, wo die Ideale von Religion auf die praktischen Dinge des Gesetztes treffen, wo die Ideen mit der Realität zusammenprallen. Vielleicht dachte der Theologe Víkingur, es sei außerhalb seines Leistungsvermögens, Menschen darin zu unterrichten, was der Unterschied ist zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch und so hat er sich statt dessen dafür entschieden, zu versuchen, den Unterschied zwischen Recht und Unrecht zu lehren. Oder vielleicht war er zu scheu, Seelsorger zu werden und zu predigen. Oder aber sein religiöser Glauben war nicht stark genug.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Aber eigentlich ist ja ein ganzes Team von Ermittlern die "Hauptperson". Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Ist es Dir wichtig verschiedene Typen zu zeigen?

Þráinn Bertelsson:
Es ist Geschmackssache. Ich bevorzuge Dramen, die von einer Figur vorangetrieben werden, lieber als die von einer Handlung getriebenen. Schreiben ist ein einsames Geschäft, und so mag ich es, mich und meine Gedanken mit interessanten Figuren zu umgeben – oder wenigstens so interessant, wie ich sie machen kann.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ist es Zufall, dass die tote Frauenrechtlerin und Journalistin Freyja mit Vornamen heißt? Der Name Freyja ist der Namen einer Göttin in der nordischen Mythologie und verkörpert dort das mütterliche Prinzip. Sie war Göttin der Ehe und der Fruchtbarkeit und dokumentiert die hohe Stellung der Frauen bei den Germanen. In Deinem Buch "Walküren", ebenso Frauenfiguren aus der Mythologie, wird ja in Form von Zitaten von Fay Weldon mit der Frauenbewegung abgerechnet.

  Þráinn Bertelsson bei schwedenkrimi.de
Biografie
Autoreninterview 2010
Autoreninterview 2008
Buchvorstellung
Rezensionen
Þráinn Bertelsson:
Nein es wurde absichtlich gemacht. Das Schreiben hat eine große Tradition in Island. Ich gehöre zu dieser Tradition. Heutzutage werden die isländischen Sagen in Kriminalromane mit einer Fülle von Mord und Blut eingeteilt.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Das Buch wirft einen satirischen ironischen Blick auf die moderne isländische Gesellschaft. Vielerlei Themen werden darin angesprochen. Wie zum Beispiel die Unterstützung der amerikanischen Politik im Irak und Afghanistan durch Island (hinter der ja sehr stark wirtschaftliche Interessen stehen), der Aufbau eines Geheimdienstes (auch ein Thema bei Ævar Örn Jósepsson), Spekulanten, schäbige Politiker usw. Kommt man nur noch mit Satire dagegen an?

Þráinn Bertelsson:
Es scheint, dass mir Satire leichter von der Hand geht. Es tut mir leid. Ich wäre eigentlich ein romantischer Dichter.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Im Zuge der weltweiten Banken- und Börsenkrise waren auch einige Zeitungsmeldungen in Deutschland über Island zu lesen. Eine davon, sicher etwas übertrieben, sprach schon von der Gefahr, dass Island pleite gehen würde. Aber sicherlich ist die wirtschaftliche Lage nicht mehr so gut?

Þráinn Bertelsson:
Es ist nur ein anderer Abend im Spielkasino. Unglücklicherweise bedeutet „Gewinnen oder Verlieren“ mehr für uns „normale“ Menschen als für die Superreichen.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Island ist klein, aber seine Firmen und Banken sind eng mit den globalen Märkten vernetzt. Die Wirtschaft Islands reagiert darum wohl besonders empfindlich auf Schwankungen der internationalen Finanzwelt. Die Arbeitslosigkeit steigt, ebenso die Inflationsrate. Die Krone verliert zum Euro sehr stark. Inzwischen ist der Euro zur zweiten Währung geworden. Ist dies etwas, womit man rechnen konnte?

Þráinn Bertelsson:
Wahrscheinlich werden in der nahen Zukunft die Menschen und Firmen, die es sich leisten können, ihre Geschäfte in Euro abzuwickeln eine isländischen Króna zurücklassen, die einen langsamen und teuren Tod sterben wird. Die Medikamente und das Begräbnis werden dann vom Steuerzahler bezahlt.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Glaubst Du, dass der Euro irgendwann die offizielle Währung in Island werden wird? Davor müßte Island wohl in die EU eintreten. Hältst Du das für denkbar? Und wie ist Deine Meinung zu einem EU-Beitritt?

Þráinn Bertelsson:
Ich bin schon seit langer Zeit ein Verfechter für den Beitritt Islands in die EU. Nicht weil ich denke, dass die EU die Antwort der Erwachsenen auf Disneyland ist, aber doch aus zwei Gründen:
  1. Ich denke Island gehört zu der europäischen Nationenfamilie.
  2. Jede Gemeinschaft, die verhindert, dass Frankreich und Deutschland wieder Krieg gegeneinander führen, ist es Wert, beizutreten.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Du hast mir geschrieben, dass Du Island als idealen Mikrokosmos für eine genaue Betrachtung der Welt und der Menschen auf ihr benutzt. Obwohl der Schauplatz Island ist, können die Verbrechen in Deinen Bücher überall in der westlichen Welt stattfinden. Was steht für Dich im Vordergrund: die Verbrechen, oder die Menschen, die Du beschreibst - die Opfer, die Täter oder die Polizisten?

Þráinn Bertelsson:
Alles dreht sich um das Verbrechen. Das Verbrechen ist die Sonne im Mikrosonnensystem des Kriminalromans. Die Figuren, Opfer, Polizisten und die Killer sind die Planeten.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Der dritte Teil "Englar dauðans" (Engel des Todes) handelt von Drogen. Víkingur ist auch persönlich betroffen. In diesem Kriminalroman spinnst Du ein verschlungenes Netz um die Welt aus Sucht und Gewalt. Kann man dieser Welt auch mit Satire und Ironie begegnen oder ist es eher ein Buch, mit Wut geschrieben?

Þráinn Bertelsson:
Ich hoffe, der Leser findet, dass „Engel des Todes“ mit Leidenschaft geschrieben ist. Es gibt kaum eine Familie in der westlichen Welt, die nicht mit einem großen Leid, verursacht durch eine Sucht, umzugehen hatte, sei es nun Drogenabhängigkeit oder Alkoholsucht.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ist schon entschieden, ob die beiden anderen Teile der Trilogie in Deutschland erscheinen werden?

Þráinn Bertelsson:
Ich weiß nicht. Wenn meine Walküren ein Heim in den Herzen meines deutschen Publikums finden, werden andere Bücher folgen. Und wenn andere Verlage als dtv interessiert sind, dann werde ich nach einem deutschen Verleger suchen. Aber es ist noch früh am Tage, so werden wir abwarten müssen, was passiert.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Du setzt Dich ja in Deinen Büchern sehr kritisch mit der isländischen Gegenwart auseinander. Dazu bedienst Du Dich wie gesagt eines satirischen und sehr trockenen Humors. Eine Szene ist sehr slapstickhaft. Die Szene in Thingvellir, als der isländische Ministerpräsident praktisch über eine Leiche stolpert. Oder die Geschichte in der Geschichte über den Mann, der seine Frau ermordet hat und der Polizei versucht weiszumachen, Außerirdische wären die Mörder. Diese Szenen erinnern mich sehr an Deine Filme. Hat hier eher der Regisseur oder der Schriftsteller die Feder geführt.

Þráinn Bertelsson:
Ich weiß nicht. Wahrscheinlich bin ich ein sehr „verbaler“ Regisseur und ein sehr „visueller“ Schriftsteller. Slapstick ist die ganze Zeit um uns herum, so viel, dass wir aufgehört haben, Notiz davon zu nehmen. Die Geschichte über den Mörder, der versucht, die Polizisten davon zu überzeugen, dass Aliens das Verbrechen verübt haben, beruht auf einer wahren Geschichte. Die Geschichte über den Ministerpräsident und die Leiche in Thingvellir ist im wahren Leben nicht geschehen – aber andere, noch absurdere Dinge passierten isländischen Ministern in Thingvellir.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Warum wird Deiner Meinung nach der Kriminalroman gerne dazu benutzt auch gesellschaftliche Themen zu transportieren. Ist es das bessere Medium als der „normale“ Roman, um einen Blick auf die dunklen Seiten einer Gesellschaft, einer gesellschaftlichen Entwicklung zu werfen?

Þráinn Bertelsson:
Ich denke nicht, dass der Kriminalroman besser dazu geeignet ist, um gesellschaftliche Themen zu betrachten als andere „Genres“ der Literatur. Aber langweilige Autoren und prätentiöse Kritiken haben das Publikum von den meisten andren „Genres“ verjagt. Wenn ich ein Buch schreibe, möchte ich ein großes Publikum erreichen und so wäre es keine gute Idee Sonette oder Haikus zu schreiben über das, was ich ausdrücken möchte.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Du hast ja schon immer geschrieben. Erst als Journalist, dann hast Du in Stockholm Dein Diplom in Filmtechnik und Regie gemacht, sieben sehr erfolgreiche Filme gedreht und bist jetzt Schriftsteller. Dein Schriftstellerkollege und Filmkritiker Árni Þórarinsson sagte im Interview mit schwedenkrimi.de, dass es für ihn nur zwei Möglichkeiten gab, was er studieren wollte. Filme machen oder Literatur. Er entschied sich für Literatur, da er 1970 keine Wahrscheinlichkeit darin sah, sein Leben in Island mit Filme machen bestreiten zu können. Und weiter, dass er der Meinung ist, dass die Menschen, die versuchen, in Island Filme zu machen, meisten Masochisten sind. Einige davon sehr talentierte Masochisten. Kannst Du diese Auffassung teilen?

Þráinn Bertelsson:
Árni Þórarinsson ist ein sehr vernünftiger Mann. Ich nicht. Die Tatsache, dass niemand in Island Filme machte, hielt mich nicht auf. Ich kümmerte mich nie um Geld. Trotzdem haben wir, meine Familie und ich, immer überlebt. Ich denke, dass machte mich mehr zum Optimisten als zum Masochisten.  Ich habe wirtschaftliche Härten nicht erlebt. Aber ich habe mehr als zwanzig Jahre damit verbracht, daran zu denken, wie ich Geld aufbringen konnte, um wieder einen Film drehen zu können. Ich bekam es satt, die ganze Zeit an Geld zu denken. Geschichten auf dem Papier zu erzählen ist billiger und meine künstlerische Freiheit ist nicht durch die Tatsache begrenzt, dass nur 300 000 Menschen in Island leben. Ich kann Szenen schreiben, die zu produzieren, sich nur Hollywood leisten kann. Ich kann auf einer Leinwand schreiben, so lange ich möchte. Es ist großartig. Aber ich habe niemals versprochen, dass Filme machen aufzugeben.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ist es richtig, dass Du einmal als Büroleiter einer Fluglinie in Saudi Arabien gearbeitet hast?

Þráinn Bertelsson:
Ja. Ein Freund von mir gründete und besaß die Air Atlanta. Wie trafen uns schon eine lange Zeit davor, als er mir beibrachte, zu fliegen. Und so, eines Tages, rief er an und fragte mich, ob ich nicht lieber abwechslungshalber eine ehrenhafte Arbeit machen möchte. Ich arbeitete für ihn fast zwei Jahre lang und genoss es, die Welt aus einer neuen Perspektive zu betrachten und jeden Monat bezahlt zu werden. Ich genoss mein Jahr in Jeddah in Saudi Arabien. Jeder hasst die Saudis aber ich denke, sie sind das Salz der Erde. Sie wurden sehr schnell und unerwartet reich. Aber das Öl wird zu Ende gehen und in ein paar hundert Jahren werden die Saudis zurückgekehrt sein zu den netten und gastfreundlichen Menschen, wie es ihre Kamele hütenden Vorfahren einst waren.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Du selbst hast Regie geführt, das Drehbuch zu Deinen Filmen geschrieben und warst auch Produzent. Und dies ziemlich erfolgreich.  Du warst mit dem Film Magnús 1989 zweimal für den europäischen Filmpreis Felix nominiert (Drehbuch und bester Film). Wenn ich richtig informiert bin war dies Dein letzter größerer Spielfilm. Danach hast Du noch eine Serie für das isländische Fernsehen gemacht. Basierend auf Deinem Buch "Sigla himinfley". Bist Du noch im Filmgeschäft aktiv oder hast Du Dich ganz aus dem Filmgeschäft zurückgezogen?

Þráinn Bertelsson:
Nein. Ich bin nicht aktiv im Filmgeschäft. Ich ruhe mich gerade davon aus.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Gibt es eigentlich Deine Filmgesellschaft "Nýtt lif" noch?

Þráinn Bertelsson:
Oh ja. Aber sie hat im Moment nur einen Angestellten.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Auch einen Thriller hast Du gedreht. "Skammdegi" (Dunkle Tage). Regie und Drehbuch von Dir. Kannst Du etwas über den Inhalt erzählen? Und worin liegt der Unterschied einen Thriller zu schreiben und ihn visuell umzusetzen?

Þráinn Bertelsson:
Es ist total unterschiedlich. So unterschiedlich wie Liebe zu machen oder Krieg. Als Schriftsteller kann ich in meiner komfortablen Bibliothek sitzend alles schreiben. Als Regisseur musst du durch die Hölle gehen und andere Menschen auf dem Felde befehlen und die ganze Zeit einen aussichtslosen Kampf gegen das limitierte Budget und die verfügbare Begabung, das fehlende Licht, den Regen und die überfliegende Flugzeuge führen. Andererseits muss der Schriftsteller die Energie aus sich heraus beziehen, der Regisseur kann von anderen Menschen inspiriert werden.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Als Schriftsteller bist Du sehr vielseitig. Wie gesagt hast Du als Journalist gearbeitet, Drehbücher für Film und Fernsehen verfasst, Gedichte, Romane, Übersetzungen und Autobiographien und Kinderbücher geschrieben. Dein größter Erfolg als Autor ist die Autobiographie "Einhvers konar ég" (Ich und mein Selbst) aus dem Jahre 2003, der ein Bestseller in Island geworden ist. Darin wird meines Wissens nach die schwierige Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Reykjavik auf, wie ich vermute, satirische Weise beschrieben?

Þráinn Bertelsson:
„Ich und mein Selbst“ ist nicht wirklich dazu gedacht, über eine besondere Zeit oder Ort in der menschlichen Geschichte zu handeln – dennoch spielt er offensichtlich in dem schrecklichen Loch Reykjavik  in den Nachwirren des Zweiten Weltkrieges. Das Buch, das ich versuchte zu schreiben, ist über die universelle Erfahrung der Entwicklung vom Kind zu einem voll erwachsenen Menschen, der die Welt betritt auf der Suche, was diese für ein Schicksal für ihn auf Lager hat. Ich fühle mich manchmal fremd und abseits von anderen Menschen und so finde ich es wunderbar, wie viele Menschen scheinbar in der Lage sind, sich mit meinen Erfahrungen zu identifizieren.  Es ist also wirtschaftlicher über deine Kindheit zu schreiben als mit einem Psychiater darüber zu sprechen.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Als Übersetzer hast Du drei Bücher der Krimiautoren Sjöwall und Wahlöö ins Isländische übersetzt. Den Wegbereitern der skandinavischen Krimikultur. In gewisser Weise auch Vorbilder bei Deinen Kriminalromane, wenn man an den gesellschaftlichen Aspekt denkt?

Þráinn Bertelsson:
Ich war schon immer ein großer Leser. Alles fressend. Ich war an der Filmschule in Schweden, als Sjöwall und Wahlöö erschienen, um das Genre der Kriminalliteratur für immer zu verändern. Es wieder zu erfinden und mit neuer Energie zu versehen. Ich finanzierte mein Studium damit, ihre ersten drei Bücher ins Isländische zu übersetzen, wo das Krimi „Genre“ sehr verachtet war. Es dauerte für die Kriminalliteratur nur ein Vierteljahrhundert, um beinahe respektabel in Island zu werden.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Du erwähnst, dass Dein neuer Kriminalroman, an dem Du gerade schreibst, das Thema Rassismus zum Inhalt hat. Ein Thema, dass auch Arnaldur Indriðason oder Stella Blómkvist schon beschäftigt hat. Ein Thema, das sicherlich ein großes Problem seit Jahren in vielen Ländern ist. In Island ist es wohl ein Problem, das erst in jüngster Zeit aufgetreten ist, als auf Grund der Vollbeschäftigung viele Menschen als Arbeitskräfte nach Island gekommen sind.

Þráinn Bertelsson:
Ja, das Thema ist Rassismus und eine alte stagnierende Gesellschaft, die entdeckt, dass sie Multi-rassisch wird. Das Buch beginnt mit drei Personen, die im Zentrum von Reykjavik mit norwegischen Napalm ausgelöscht werden. Harter Stoff.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
In Deinem neuen Kriminalroman ist Víkingur zurückgetreten und hat seinen jüngeren Kollegen Platz gemacht. Ändert sich damit auch die Sichtweise auf die isländische Gesellschaft. Vom Ex-Theologen, der an der Gesellschaft verzweifelt, zu der jüngeren Generation?

Þráinn Bertelsson:
Víkingur ist immer noch bei uns. Er überlebte die Trilogie aber nun hat er eine Rolle im Hintergrund übernommen. Dagný und Terje sind nun die Hauptpersonen. Víkingur hat so viele meiner eigenen Eigenschaften, dass ich kurz davor stehe, mich selbst anzuklagen, da ich mich selbst als Person in einem Buch benutze.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Du schreibst ja auch wöchentliche Kolumnen für die Zeitung "Fréttablaðið". Sind es allgemeine Kolumnen oder eher politische?

Þráinn Bertelsson:
Ich bin Fréttablaðið dankbar. Sie geben mir komplette Freiheit über alles zu schreiben. Manchmal schreibe ich über Politik. Es ist nicht schön, aber jemand muss auf die Politiker aufpassen und nachsehen was sie so treiben.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Island wird Ehrengast der Frankfurter Buchmesse im Jahre 2011 sein. Dies ist sicher für so ein kleines Land (aber mit einer großen literarischen Tradition) eine große Ehre. Wird das in Island auch so empfunden?

Þráinn Bertelsson:
Ich hoffe, dass im Jahre 2011 die Isländer immer noch Bücher lesen. Ja, Island ist Ehrengast auf der Buchmesse in Frankfurt und es ist großartig.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Zum Schluß stelle ich immer die Frage nach der Lieblingsmusik, -buch und -film. Es ist nun sicherlich schwer, einen Regisseur der gleichzeitig auch Schriftsteller ist, danach zu fragen. Aber ich versuche es trotzdem. Kannst Du uns Deine Favoriten nennen?

Þráinn Bertelsson:
Nein, tut mir leid. Mein Geschmack ändert sich die ganze Zeit. Der einzige Künstler, den ich immer mochte, ist Mozart.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Þráinn, vielen Dank für das aufschlußreiche Gespräch.

Autor: Jürgen Ruckh/ Esslingen
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